Der ungeladene Gast by Sadie Jones

Der ungeladene Gast by Sadie Jones

Autor:Sadie Jones
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2012-07-31T22:00:00+00:00


EIN HÖCHST UNERFREULICHES SPIEL

Herausgerissen aus ihrer fröhlichen Stimmung, plötzlich bedrückt, sah die kleine Gruppe Traversham-Beechers einen Moment lang ausdruckslos an und wandte sich dann wieder dem Essen zu.

Er begab sich ohne Umschweife zur Anrichte, wählte unter den Karaffen einen sehr dunklen Rotwein und stellte frische Gläser zusammen. Sie klirrten auf dem dämpfenden Tuch leise gegeneinander, während er so hastig einschenkte, dass Tropfen über den Rand der Gläser schwappten, rosig daran herabrannen und das damastene Tuch befleckten.

»Zum Wohlsein und so weiter«, rief er aufgekratzt, verteilte die Getränke und stellte die Karaffe auf den Tisch. Als er jedem der Anwesenden ein Glas vorsetzte, löste ihre Kameraderie sich in Luft auf. Was eine freundliche Gruppe gewesen war, verwandelte sich in einen Tisch voller vereinzelter, isolierter Seelen. Traversham-Beechers setzte sich neben Emerald und trank gierig.

»Haben wir es nicht gemütlich? Na, was ist? Sollen wir uns alle betrinken?«, fragte er.

Der Vorschlag traf auf schockiertes Schweigen.

»Ich glaube, ich kann die Frage mit einem klaren ›Nein‹ beantworten«, sagte John Buchanan. »Aber gegen ein Glas hätte ich nichts einzuwenden.«

»Ein Glas, vielleicht auch zwei. So ist’s recht«, sagte Traversham-Beechers und schenkte alle Gläser randvoll nach. »Ein Trinkspruch auf unsere Gastgeberin, die bildschöne Miss – tut mir leid, Mrs Torring… Oh, ich muss mich nochmals entschuldigen: Mrs Swift. Auf Mrs Swift!« Und er hob sein Glas, trank und erkundigte sich leutselig: »Wo ist sie überhaupt?«

»Sie – sie hat sich vor einer Weile zurückgezogen«, sagte Clovis und fügte, an Emerald gewandt, hinzu: »Meinst du, wir sollten unserer geliebten Mutter einen Teil der kläglichen Reste anbieten?«

»Gehst du dann bitte und holst sie, Clovis?«, antwortete Emerald, die im Augenblick keine große Lust auf eine Begegnung mit ihrer Mutter hatte.

Clovis verließ das unordentliche Speisezimmer, in dem die Gäste in ihren ziemlich mitgenommenen Kleidern ohne jede Sitzordnung Platz genommen hatten und der ganze Tisch mit Essensresten übersät war, und betrat die kühle Leere von Fluren und Halle.

Der Kater Lloyd saß reglos auf einem Treppenpfosten und folgte ihm mit den Blicken.

Clovis schlich zum Studierzimmer, aus dem gedämpftes Gemurmel drang, und lauschte einen Augenblick, bevor er weiterging. Obwohl er wusste, dass die Passagiere für den Augenblick zufriedengestellt waren, traute er der offenkundigen Leere des Hauses nicht so recht und hatte beim Gehen ständig das Gefühl, sie aus den Augenwinkeln herumhuschen zu sehen.

Oben wirkte alles so hell erleuchtet und heimelig wie zuvor. Er klopfte an die Tür des Schlafzimmers seiner Mutter, des größten, genau in der Mitte des Hauses.

»Wer ist da?«

Ihre Stimme klang verängstigt; anscheinend hatte er sie erschreckt.

»Ich bin es nur«, sagte er und trat ein.

Charlotte hatte sich auf einen Ellbogen aufgerichtet. Das große Erkerfenster befand sich genau hinter ihr, die seidenen Vorhänge halb zugezogen, gerüscht und mit Fransen versehen wie in den Boudoirszenen in La Bohème in Covent Garden, wo Clovis, Emerald, Charlotte und Horace einen unvergessenen Abend in einer der Logen verbracht hatten, eingetaucht in Schönheit, durchtränkt von Schönheit.

»Alles in Ordnung, Mutter?«, fragte er.

Sie hatte sich mit einem Seufzer auf das Bett zurücksinken lassen, und seine Frage kam von Herzen.

»Setz dich, mein Junge«, sagte sie und nahm, als er ihrer Aufforderung Folge geleistet hatte, seine Hand.



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